Marcin Miodek "Kreisau – Ort der Erinnerung und des Dialogs über den Widerstand gegen Totalitarismen"

Das ehemalige Gut der Familie von Moltke im schlesischen Kreisau bei Schweidnitz gehört zweifelsohne zu den wichtigeren Orten sowohl des europäischen als auch des deutsch-polnischen kollektiven Gedächtnisses. Eben hier versammelten sich während des Zweiten Weltkriegs deutsche Gegner des Hitlerregimes, die später als Kreisauer Kreis bezeichnet werden sollten, und im November 1989 gaben sich hier der erste Ministerpräsident des freien Polen, Tadeusz Mazowiecki, und der Kanzler des sich wiedervereinigenden und damit auch die vollständige Souveränität erlangenden Deutschlands, Helmut Kohl, bei der von Bischof Alfons Nossol zelebrierten Messe das christliche Zeichen des Friedens und der Vergebung. Eben hier kann die einzigartige Ausstellung "Mut und Aussöhnung", die den Weg zeigt, den die beiden Nachbarvölker in den vergangenen Jahrzehnten seit der Tragödie des Zweiten Weltkriegs zurückgelegt haben, besichtigt werden. Spricht man über diesen schlesischen Ort, so können auch die zweite, ältere Ausstellung, die den breit verstandenen zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die Totalitarismen veranschaulichte, oder das auf dem Hof vor dem Schloss stehende Fragment der Berliner Mauer sowie das Internationale Jugend- und Erwachsenenbegegnungszentrum, zu dessen Entstehung die bereits erwähnte „Versöhnungsmesse“ von 1989 einen wichtigen Impuls gab, nicht unerwähnt bleiben. Kreisau ist somit, wie eingangs angedeutet, ein mehrdimensionaler, europäischer (ja, sogar über Europa hinausgehender, z.B. auch koreanisch-japanischer) Ort der Begegnung, des Dialogs und der Erinnerung an das Freiheitsstreben sowie ein Symbol für den Widerstand gegen totalitäre und autoritäre Systeme.

Annemarie Franke "Europa denken und deutsch-polnisch handeln – die Vorgeschichteder Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung"

Kreisau in Niederschlesien heißt seit 1945 Krzyżowa. Während des Zweiten Weltkrieges traf sich in diesem Dorf auf dem Gutshof von Helmuth und Freya von Moltke die Widerstandsgruppe "Kreisauer Kreis". Graf Helmuth James von Moltke und sieben weitere enge Freunde aus dem Kreisauer Kreis wurden von der nationalsozialistischen Justiz zum Tode verurteilt und hingerichtet. Nach Ende des Krieges mussten die deutschen Bewohner/innen ihre Häuser und Höfe verlassen. Ebenso wenig freiwillig kamen die meisten Neusiedler in das fremde Dorf Krzyżowa. Das frühere Hofgut der Familie von Moltke wurde im sozialistischen Polen zum staatlichen Landwirtschaftsbetrieb. Die traumatische Erfahrung des Krieges, der deutschen Besatzung in Polen sowie von Flucht und Vertreibung während und nach dem Krieg führten über Jahrzehnte hinweg zu einer Sprach- und Beziehungslosigkeit im Verhältnis zwischen Deutschen und Polen. Lediglich einzelne Personen in beiden Ländern bemühten sich sehr früh nach Ende des Zweiten Weltkrieges um Kontakte, Dialog und Beziehungsaufbau. Sie sind nicht hoch genug zu schätzen als Pioniere der deutsch-polnischen Versöhnung. Ich möchte daher an einem Beispiel zeigen, wie die Überlebenden des "Kreisauer Kreises" sich in den Nachkriegsjahrzehnten für eine Annäherung an Polen und damit verbunden für eine öffentliche Nutzung des Gutshauses im polnischen Krzyżowa einsetzten.

Sebastian Fikus "Widerstand war für sie moralische Pflicht. Entstehung und Tätigkeit des Kreisauer Kreises"

Während der 1920er Jahren war die Weimarer Republik ein freier, demokratischer Staat, in dem das ungewöhnliche künstlerische und kulturelle Leben aufblühte. In den letzten Tagen des Januar 1933 kam es jedoch zu Ereignissen, die für das weitere Schicksal Deutschlands ausschlaggebend waren. Die in demokratischen Wahlen siegreiche nationalsozialistische Partei, deren Führer Adolf Hitler war, übernahm die Regierung. Dadurch gelang es Hitler in sehr kurzer Zeit, sich den Verwaltungs- und Polizeiapparat Deutschlands unterzuordnen, indem er schrittweise weitere Bürgerfreiheiten abschaffte und die oppositionellen Abgeordneten aus dem Parlament ausschloss. Aus heutiger Perspektive könnte man sagen, dass die Partei Hitlers eine extreme Gruppe war, die es dank brutalem Terror schaffte, das demokratische Land in ein Gefängnis zu verwandeln. Man kann jedoch den Nationalsozialisten eine gewisse politische Gewandtheit und ein ausgezeichnetes Gefühl für Stimmungen in der Gesellschaft nicht absprechen. Es fanden nicht viele Proteste statt und es gelang ihnen, eine fast unbegrenzte gesellschaftliche Unterstützung für ihre Maßnahmen zu generieren, welche in kürzester Zeit – bereits sechs Jahre später, im Jahr 1939 – zum Beginn des blutigsten Konflikts in der Geschichte der Menschheit, zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führten".