Das Gut Kreisau

Auf das Gelände des ehemaligen Guts gelangt man durch ein großes Tor. An dessen Pfeilern standen vor dem Krieg zwei aus Bronze gegossene Fechter. Das zahlreichen Veränderungen unterzogene einstige Rittergut wurde im Laufe der Zeit immer größer. In der Mitte des Hofes gab es früher natürlich keinen weiträumigen leeren Platz mit gleichmäßig gemähtem Rasen, der Hof wurde vielmehr zu wirtschaftlichen Zwecken genutzt.

GEBÄUDE UND ANLAGEN

Charakteristisch für diese Gegend sind Vierseitenhöfe mit unbebauter Hofeinfahrt und einem seitlich zum Weg stehenden Kuhstall. Das Wohnhaus (bzw. wie im Falle von Kreisau das Schloss) war bei derartigen Anwesen von anderen Gebäuden immer getrennt. Auch die Kreisauer Lukarnen sind für diese Gegend typisch. Die gerundete in Kreisau verwendete Form der kleinen Fenster ist ein Überbleibsel aus Zeiten, in denen Dächer mit Schilf bedeckt wurden – eine halbrunde Form war damals einfacher zu gestalten.

Erst im 19. Jahrhundert wurden die Fachwerkhäuser durch die bis heute bestehenden Gebäuden aus Ziegeln und Steinen ersetzt. Die Gebäude haben – einzeln gesehen – keinen historischen Wert, als Ganzes stellen sie aber eine der wenigen architektonischen Anlagen dieser Art östlich der Elbe dar, die bis zum heutigen Tage erhalten geblieben sind.

Nach der gründlichen Renovierung und dem stiftungsgerechten Umbau haben sich die Funktionen der einzelnen Gebäude selbstverständlich geändert. Die frühere Zweckbestimmung ist nur noch in den Namen geblieben:

Torhaus (Stróżówka)
In dem Torhaus (Stróżówka) sind heute Büros der Programmabteilungen der Stiftung Kreisau und des Internationalen Konferenzzentrums untergebracht.

Waschhaus (Pralnia)
Das Waschhaus ist heute an die Anforderungen von Kunstprojekten angepasst. So gibt es dort u. a. eine Druckpresse, einen Ofen, in dem Keramik gebrannt werden kann, sowie Ausstellungsständer. Immer wieder finden dort Kunstworkshops statt. Im Dachgeschoss werden wiederum des Öfteren Bewegungs- und Musikveranstaltungen für Gruppen organisiert.

Remise (Wozownia)
An dem Ort, an dem früher Wagen und Kutschen standen, gründete die Stiftung Kreisau Anfang der 1990er Jahre einen Kindergarten und knüpfte dabei an eine bestehende Tradition an. Auf dem ehemaligen Gut wurde nämlich schon eine Schule betrieben. In dem umgebauten Wagenschuppen sind auch Wohnräume für Freiwillige und Praktikanten der Stiftung eingerichtet.

Gärtnerhaus (Dom Ogrodnika)
In dem Gebäude ist seit Ende 2012 das Zentrum für Umweltbildung (CEE) „Gärtnerhaus” (Dom Ogrodnika) untergebracht. Es handelt sich dabei um ein Wohngebäude, in dem es identisch eingerichtete Zimmer sowie Badezimmer gibt, die auch Gästen zur Verfügung gestellt werden. Das Haus wurde aber in zwei Etagen eingeteilt, die provisorisch als „Standard-” und „Umweltmodul” bezeichnet werden. Beide Module sind entsprechend mit standardmäßigen und ökologischen Heiz-, Energie- und Wassersversorgungssystemen ausgestattet. Der Vergleich zwischen den beiden Systemen dient der Umsetzung von Umweltbildungsprogrammen.

Pferdestall (Stajnia)
Es ist das erste wiederaufgebaute Gebäude, das 1994 zur Nutzung übergeben wurde. Seitdem wurde hier – anfangs in der Nachbarschaft der riesigen Baustelle draußen – die satzungsgemäße Tätigkeit ausgeübt. In den ersten vier Jahren waren hier Begegnungsräume, Gästezimmer und sogar eine Küche und eine Kantine untergebracht. Die Küche wurde 2007 erneut in Betrieb genommen: Es entstand hier eine „Lehrküche”, die für diverse Gastronomieprojekte genutzt wird.

Das Gebäude wurde 2014-2015 aus den Mitteln des Denkmalpflegers sowie mit Unterstützung des Bergbaunternehmens KGHM Polska Miedź S.A. saniert.

Speicher (Spichlerz)
Der „Speicher” wird heute von der Stiftung als Hotel und Gästehaus genutzt. Einzel- und Doppelzimmer sind im rustikalen Stil eingerichtet und entsprechen dem Drei-Sterne-Standard.

Scheune (Stodoła)
In der „Scheune” ist zurzeit ein Mehrzweckraum mit Platz für bis zu 350 Personen untergebracht. Die Raumausstattung umfasst u. a. Simultandolmetscheranlagen, Multimedia-Projektoren, ein professionelles Beschallungssystem sowie Bühnen. Daneben gibt es einen Sportraum mit Sauna und Fitnessraum, der Einzelgästen sowie Gruppen zur Verfügung steht.

Kuhstall (Obora)
In dem Gebäude ist derzeit eine Kantine sowie ein Restaurant „U Hrabiego” (Beim Grafen) untergebracht. Im Dachgeschoss gibt es zudem Übernachtungsmöglichkeiten.

Der Hof (Dziedziniec)
Der Hof vor dem Schloss zwischen dem Brunnen und dem „Pferdestall” (Stajnia) war der Ort, an dem am 12. November 1989 eines der wichtigsten Ereignisse in der jüngsten Geschichte von Kreisau stattfand. An dieser Stelle wurde ein Podium mit Altar aufgebaut, an dem die Versöhnungsmesse gefeiert wurde. Teilgenommen haben daran der erste nichtkommunistische Ministerpräsident der Volksrepublik Polen Tadeusz Mazowiecki sowie der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl. Der Gottesdienst wurde von Bischof Alfons Nossol zelebriert. Die historische Messe, deren berühmtesten Moment die Umarmung der beiden Politiker darstellte, wurde zu einem Symbol der Wende in den deutsch-polnischen Beziehungen.

Heute ist der Hof ein Ort, um den herum sich das Leben der Stiftung abspielt. So finden hier Sportereignisse, Veranstaltungen und Konzerte statt.

SCHLOSS

Das Schlossgebäude
Das Schloss ist ein schmuckloser Barockbau, der zwischen 1712 und 1726 entstanden ist. Gebaut wurde es aller Wahrscheinlichkeit nach von dem damaligen Besitzer von Kreisau, Sigismund von Zedlitz und Leipe. Das Schloss hatte anfangs nur ein hohes Erdgeschoss und eine Etage, in dem Dachgeschoss war eine Mansarde eingerichtet. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts zwang der Ausbau des Dachgeschosses die Besitzer dazu, zwei Seitenflügel mit Treppen anzubauen. Den eindrucksvollsten Teil dieses ansonsten schlichten Baus bildet die Treppe, die zum reich verzierten Haupteingang führt. Über dem Eingang hängen die Wappen der Familien Burt und von Moltke. Das letzte von ihnen, auf dem drei Birkhühner dargestellt sind, ist auch in der unteren Vorhalle neben der Treppe zu finden. Vom Zwischengeschoss des Treppenhauses bietet sich vom Balkon aus ein Ausblick auf den Graben (das einstige Flussbett der Peile) und die Wiesen.

Eingangsbereich
Rechts vom Eingangsbereich, in der Nische hinter einer Glasfläche, steht das Kreuz von Coventry. Das aus Nägeln angefertigte Kreuz erinnert an die Gräuel des Zweiten Weltkrieges und ist ein Symbol für die Aussöhnung. Das Kreuz wird inzwischen seit knapp 60 Jahren von der Kathedrale in Coventry Organisationen weltweit verliehen, die sich in ihrer Arbeit für Aussöhnung einsetzen. Die Stiftung Kreisau ist die erste Einrichtung in Polen, der diese Ehre zuteilwurde. Das Kreuz wurde am 11. November 2000 vom Vertreter der britischen Nagelkreuzgemeinschaft von Coventry, Pfarrer Joachim von Kölichen, im Beisein von Gästen aus anderen Ländern, Freunden und Mitarbeitern der Stiftung Kreisau übergeben.

Dauerausstellung „In der Wahrheit leben. Aus der Geschichte von Widerstand und Opposition gegen die Diktaturen im 20. Jahrhundert”
Links von der Treppe ist in dem ehemaligen Arbeits- und Schlafzimmer Feldmarschalls von Moltke die Dauerausstellung der Stiftung Kreisau eingerichtet. Neben dem Berghaus, in dem tatsächlich die Treffen der um Helmuth James von Moltke gescharten Widerstandsgruppe stattfanden, bildet sie einen wesentlichen Bestandteil der Gedenkstätte Kreisau. Die Ausstellung erzählt die Geschichte der Opposition und führt dabei Beispiele konkreter Personen, Gruppen und Ereignisse an.

Der Ballsaal
Der eindrucksvoll eingerichtete Ballsaal (mit einem wunderschönen Kamin) diente einst als Speisesaal. Der Saal ist bis 1990 in einem einigermaßen guten Zustand erhalten geblieben. Deshalb beschloss man, ihn vollständig wiederherzustellen – samt dem großen Ofen, dessen dreiteilige Bauweise es möglich macht, die Wärme optimal zu nutzen. Abgesehen von diesen Details ist leider von der ursprünglichen Inneneinrichtung nichts übrig geblieben.

Die Bibliothek und der Buchladen
Rechts vom Eingangsbereich befindet sich der Eingang zur Bibliothek. Besucher haben hier die Möglichkeit, ihr Wissen sowohl zur deutschen und polnischen Geschichte als auch zu den deutsch-polnischen Beziehungen und zu der Widerstandsbewegung zu vertiefen. In dem Buchladen können Publikation zu Kreisau, zum Kreisauer Kreis sowie zur deutschen und polnischen Geschichte erworben werden.

Wandmalereien
Die großen, auffälligen Fresken im Treppenhaus entstanden im Jahre 1900 anlässlich des 100. Geburtstags des Feldmarschalls. Sie spiegeln das historische Selbstverständnis Deutschlands in der Wilhelminischen Ära wider. Ihre Entstehung kann vermutlich mit der 1875 von Baron Thomson von Biel, einem mecklenburgischen Aristokraten und Erbauer des Schlosses Kalkhorst, ins Leben gerufenen Stiftung zur Hebung der Freskomalerei in Verbindung gebracht werden. Seine Absicht war es, aus der Kunst ein Gemeingut zu machen und großflächige Wandmalereien an öffentlichen Orten zu finanzieren. Seit 1875 vergab seine Stiftung jedes Jahr einer deutschen Akademie der Schönen Künste den Auftrag, ein Wandgemälde anzufertigen. Im Jahre 1900 sollte die akademische Hochschule in Berlin ein Fresko fertigstellen. Um den Auftrag bewarb sich der Neffe des Feldmarschalls, Wilhelm von Moltke. Er erhielt die Zustimmung, Fresken im Schloss Kreisau zu malen.

Die Freskogemälde haben ihre eigenen Namen – Die Schande (Hańba) und Die Vergeltung (Odwet). Die Schande von Sigmund Lipinski zeigt die Einnahme von Lübeck durch die französische Armee Napoleons am 6. November 1806. Bei dem Jungen in der unteren rechten Ecke soll es sich vermeintlich um Helmuth von Moltke, den späteren – vom Anblick der die Stadt plündernden französischen Marodeure entsetzten – Feldmarschall, handeln. Die Vergeltung von Walter von Looz Corswarem stellt wiederum die siegreiche deutsche Armee in Paris am 1. März 1871 dar. Der Feldmarschall, vom Alter bereits gebeugt, reitet auf seinem Schimmel in die Stadt und nimmt einen Bericht entgegen.

Helmuth von Moltke war in Wirklichkeit bei der Einnahme von Lübeck durch die Franzosen eher nicht in der Stadt. Er hielt sich wahrscheinlich am Augustenhof in Holstein auf. Auch bei dem Einmarsch in Paris war er mit Sicherheit nicht dabei, weil er zu dieser Zeit an einer Parade außerhalb der Stadtgrenzen teilnahm.

Zur Geschichte der Gemälde ist hinzuzufügen, dass es sich dabei um die einzigen Fresken dieser Art handelt, die in Niederschlesien erhalten geblieben sind. Bei deren Rekonstruktion in Kreisau entbrannte eine heftige Diskussion über deren weiteres Schicksal. Letztlich gab die Stimme des Denkmalpflegers den Ausschlag, man möge die Bilder wegen ihres direkten Bezugs zur Geschichte des Anwesens bewahren und erneuern. Ein weiteres Argument, das dafür sprach, war die Rolle Kreisaus bei der deutsch-polnischen Aussöhnung, die es erforderlich mache, auch diesen Aspekt der deutschen Geschichte zu erklären.

DAS BERGHAUS

Feldmarschall Helmuth von Moltke erwarb das Berghaus 1873, zwei Jahre nach dem Tod seines Bruders Adolf. Seitdem gehörte das Haus zum Gut. Bewohnt wurde es von Tanten und Witwen der Familie.

In den Jahren 1931-1945 wohnte in dem Berghaus – und nicht mehr in dem Schloss – mit seiner Familie der letzte Besitzer von Kreisau, Helmuth James von Moltke. Im Schloss zu wohnen war zu kostspielig für die Familie geworden, die infolge einer unglücklichen Verwaltung des Anwesens durch den Vater und der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse in Schulden geraten war. Helmuth James musste den Beginn seines Referendariats aufschieben, um das Gut vor dem Bankrott zu retten. Dank langjähriger und harter Arbeit gelang ihm das auch. Im Sommer spielte sich das Leben hauptsächlich auf der Veranda ab, wo sich die Familie am liebsten aufhielt.

Das Berghaus war das Familienhaus von Helmuth James von Moltke (1907-1945), seiner Frau Freya (1911-2010) und deren Söhnen Kaspar (*1937) und Konrad (1941-2005).

Der Weg zum Berghaus – die Eichenallee
Um zum Berghaus zu gelangen, muss man den Gutshof durch das Tor zwischen dem Schloss und dem Gärtnerhaus verlassen. Unterwegs läuft man über zwei kleine Brücken. Eine führt über den Kanal mit stehendem Wasser, den ehemaligen Kanal des Flusses Peile (Piława), die zweite über den Fluss. In den 1930er wurde das Flussbett verlegt, weil das Hochwasser der Peile häufiger den Hof überflutete. Die Arbeiten wurden dabei von Strafgefangenen und später, während des Zweiten Weltkrieges, zunächst von französischen und anschließend sowjetischen Kriegsgefangenen aus dem nahe gelegenen Gefangenlager ausgeführt.

Die Eichenallee mag auf den ersten Blick überraschen. Bei derartigen Anlagen führten Alleen meist zum Haupttor eines Gutes. Die Kreisauer Allee führt aber vom Schloss, durch den schönen Gutsgarten zum Berghaus im damaligen Niedergräditz (Grodziszcze Dolne), heute Teil des Dorfes Kreisau. Sie diente damit vor allem der Familie von Moltke. Neben der Eichenallee sind hier auch Reste einer zweiten – zum Hauptweg führenden – Allee zu sehen. Wahrscheinlich erstreckten sich zu Zeiten des Feldmarschalls rechts und links von der heutigen Allee, an der Stelle von Ackerfeldern, die bis an den Kapellenberg reichten, Gärten und ein Park.

Die Eichenallee kreuzt sich an ihrem Ende mit dem zum Berghaus führenden Weg (rechts abbiegen). Wählt man den links abzweigenden Weg, so erblickt man nach rund 150 m am Wege ein Haus mit einer ungewöhnlichen, ungefähr einen Meter hohen Plattform. Einst gab es dort ein Gasthaus, die Plattform diente dabei als Tanzsaal. Während des Krieges wurde das Haus von den Nationalsozialisten umzäunt, die dort ein Kriegsgefangenenlager, zunächst für französische und dann für sowjetische Soldaten einrichteten, die hier her gebracht worden sind, um das Flussbett der Peile zu verlagern. Der Tanzsaal diente den Gefangenen als Schlafplatz. Gegen 1989 wurde das ehemalige Wirtshaus abgerissen.

Treffen des Kreisauer Kreises im Berghaus
In den Jahren 1942-43 fanden in dem Berghaus unter dem Vorwand von Wochenendtreffen von Freunden drei Beratungen des Kreisauer Kreises in größerer Runde statt. Die Gruppe arbeitete an einer „Neuordnung”, d.h. eine geistige, politische und gesellschaftliche Wiedergeburt Europas nach dem von den Kreisauern erwarteten unrühmlichen Ende des Dritten Reiches. Bei den Treffen wurden die zuvor in kleinen Themengruppen erarbeiteten Thesen diskutiert. Die Überlegungen betrafen die Rechtsordnung, Außenpolitik, Wirtschaft, Soziales und Recht, aber auch Kriegsverbrechen, Probleme im Bereich Kirche, Kultur, Erziehung oder Landwirtschaft des künftigen demokratischen Deutschlands. Darüber hinaus wurden Fragen erörtert, wie einzelne Posten zu besetzen wären, die eine Perspektive dafür schaffen würden, die Kontinuität des deutschen Staates zu wahren.

Das Berghaus nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Tod von Helmuth James von Moltke wurde das Berghaus bis September 1945 von seiner Frau Freya bewohnt. Dank Freunden aus Großbritannien gelang es ihr, ohne größere Schwierigkeiten nach Berlin umzuziehen.

Obgleich das Haus nach dem Krieg nicht umgebaut wurde, fanden die damals dort angekommenen polnischen Familien leere Räume vor (1945-1946 wurde es von Soldaten der Roten Armee bewohnt und ausgeplündert). Es fehlten sogar die Wasserrohre, übrig geblieben waren lediglich alte Anschlüsse und die Armatur. Die Polen schöpften daher Wasser aus dem hausnahen Brunnen. Nichts erinnerte an die ehemaligen Besitzer und an den Kreisauer Kreis.

Nachdem das Haus von der Stiftung Kreisau übernommen worden war, zogen sowohl dessen Bewohner als auch die Bewohner von Gebäuden der gesamten Anlage in andere Häuser in der Umgebung, die von der Stiftung instandgesetzt oder umgebaut worden sind.

Der Gedenkraum
In dem Berghaus befinden sich heute ein Gedenkraum, ein Teil der Stiftungsbibliothek sowie eine Mitarbeiterwohnung. Im Dachgeschoss sind zudem drei Zimmer für Freiwillige und Praktikanten der Stiftung untergebracht.

Im Jahre 2007 wurde ein internationaler Wettbewerb zur Gestaltung des Gedenkraums ausgeschrieben. Gewonnen hat ihn ein Architektenehepaar aus Breslau (Wrocław) – Beata Gryt-Tomaszewska und Tomasz Tomaszewski. In der Mitte des Gedenkraumes wurde, so wie es der Entwurf vorsah, ein aus vier trennbaren, identischen Teilen bestehender Tisch aufgestellt, der die politische, soziale und konfessionelle Unterschiedlichkeit in der Herkunft der Kreisauer darstellen sollte. Zu einem Ganzen zusammengelegt, versinnbildlicht der Tisch wiederum die Bereitschaft, ungeachtet aller bestehenden Unterschiede gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten.

Mit der Aufteilung des runden Tisches in vier Teile erinnerte man zudem an das Zeichen des Kreisauer Kreises: In der Mitte war ein schwarzes, für das Christentum stehendes Kreuz, das von einem roten Kreis umrahmt war, dem Symbol der brüderlichen und sozialen Einstellung, dem Einheitszeichen aller nach Erneuerung strebenden Kräfte. Auf dem Boden ist dieser Kreis ebenfalls zu sehen. Markiert wird er von einer feinen Linie auf dem Parkett. Auch das Kreuz kommt ein zweites Mal vor – in den Fenstern, als ein von der linken Unterseite des Fensters zur Oberseite des rechten Flügels verlaufender Riss. Verlängert man diese Linie gedanklich, so bildet sie einen Kreis.

In dem Gedenkraum, dem früheren Speisezimmer der Familie von Moltke, kamen bei der feierlichen Eröffnung des Zentrums am 11. Juli 1998 der Ministerpräsident der Republik Polen Jerzy Buzek und der Bundeskanzler Helmut Kohl sowie drei Witwen der Kreisauer, Freya von Moltke, Rosemarie Reichwein und Clarita von Trott zu Solz, zusammen. Zugegen waren auch Vertreter*innen des damaligen Stiftungsvorstands, Ewa Unger und Adam Żak.

Die Bibliothek und die Veranda
Neben dem zur Veranda führenden Flur gibt es den ehemaligen Salon, der heute als Bibliothek genutzt wird. Eben hier hielten die Mitglieder des Kreisauer Kreises ihre Beratungen ab.

Durch das Durchgangszimmer zwischen dem Gedenkraum und der Bibliothek gelangt man auf die Veranda. Sie ist auf vielen alten Aufnahmen der Familie von Moltke zu sehen. Diese historischen Bilder inspirierten eine der Stipendiatinnen dazu, in dem Durchgangsraum eine Ausstellung einzurichten. Sie verbindet historische und aktuelle Fotografien von Einwohner*innn und Besucher*innen des Berghauses.

Die Veranda wurde – als ein von der Geschichte geprägter, zugleich aber auch sonnendurchfluteter und von Grün umgebener Ort – zu einer Bühne wichtiger historischer Ereignisse in der neuesten Geschichte Kreisaus. So begann eben hier im Juni 1998 die Feier zur Eröffnung des Zentrums durch den polnischen Premier und den deutschen Kanzler. Auch das Kreuz von Coventry wurde hier der Stiftung verliehen.

Workcamps am Berghaus
Auf der Wiese neben dem Berghaus fanden die ersten internationalen Jugendbegegnungen in Form von Workcamps statt, die dann alljährlich seit 1990 veranstaltet wurden. Durch die gemeinsame Arbeit knüpfte man dabei an die Tradition der „Löwenberger Integrationslager” aus der Weimarer Zeit an, die – z. T. von Helmuth James von Moltke organisiert – Junge und Alte, Arbeiter und Intelektuelle, Stadt- und Dorfeinwohner zu gemeinsamen Projekten zusammenführten.

In den 1990er Jahren halfen Teilnehmer*innen solcher Begegnungen beim Aufbau der internationalen Begegnungsstätte mit. Nach deren Fertigstellung der ersten Gebäude zogen die Workcamps in die neuen Räumlichkeiten in den „Pferdestall” und „Kuhstall” um.

DER KAPELLENBERG

Bis 1945 war die Anhöhe eine Art Park, der auch als Friedhof genutzt wurde. Nach dem Krieg verschwanden manche Grabsteine und Kreuze, das ganze Gelände verfiel zusehends, so dass es schließlich mit Bäumen und Sträuchern wild bewachsen war.

Die Anhöhe lässt sich in drei Bereiche unterteilen:
1. Auf der rechten Seite des Weges liegt der alte evangelische Friedhof, auf dem bis 1945 die Dorfeinwohner*innen begraben wurden. Betritt man dessen Gelände, so fallen zwei liegende Steinblöcke auf. Es handelt sich hierbei um die Überreste eines Denkmals aus der Vorkriegszeit für Soldaten, die während des Ersten Weltkrieges gefallen waren. Das Monument stand früher an der Hauptstraße, nahe dem Pfad, der auf den kleinen Friedhofberg führt. Auf den Berg wurde es 1996 im Rahmen von Renovierungsarbeiten an der Anlage verlegt. Aus den Resten von den auf dem gesamten Friedhof verstreuten Grabsteinen wurde ein halbrundes Lapidarium gebaut. In die Mitte des so geschaffenen Raumes kam ein Eisenkreuz, das ebenfalls auf dem Friedhof gefunden worden war.

2. Ein gerade verlaufender Pfad führt zu dem zweiten, etwas höher gelegenen Teil des Friedhofs. Hier wurden mit wenigen Ausnahmen die zwischen 1866 und 1945 verstorbenen Mitglieder der Familie von Moltke bestattet. Das Grab von Helmuth James ist hier aber nicht zu finden, denn sein Leichnam wurde nach der Hinrichtung am 23. Januar 1945 verbrannt und die Asche verstreut. 1998 wurde in diesem Teil ein Gedenkstein aufgestellt, der an Helmuth James und seinen an der Front in Afrika gefallenen Bruder Carl Bernd (1913-1941) erinnert. 2010 kam ein Gedenkstein für Freya von Moltke hinzu, die am 1. Januar 2010 in Norwich, im Bundesstaat Vermont (USA), verstorben war.

3. Das Mausoleum, einst Ruhestätte Feldmarschalls Helmuth Carl Bernhard von Moltke, wurde 1868 für die unerwartet verstorbene – von ihrem Mann wesentlich jüngere – Frau des Feldmarschalls errichtet. Seine Schwester, die Stiefmutter der Frau, Augusta Burt, verstarb ebenfalls vor ihrem Bruder und wurde im Mausoleum beigesetzt. Und 1891 wurde hier schließlich der Sarg des Feldmarschalls selbst in die heute leere Nische unter eine Christusfigur gelegt, die sich heute in dem äußeren Teil der Apsis der St.-Michael-Kirche befindet.

Die Särge des Feldmarschalls, seiner Frau Mary sowie der Schwester Augusta sind Ende des Zweiten Weltkrieges verschollen gegangen. Einer Theorie zufolge soll der Sarg von Augusta zunächst an dem Ort geblieben und erst später bei einem Feuer zerstört worden sein. Heute steht das Bauwerk leer. Die symbolischen in den Boden eingemauerten Grabplatten, auf denen die Namen und die Lebensdaten zu sehen sind, erinnern an die drei Verstorbenen.

DER GEDENKSTEIN

Vor dem Tor des Zentrums stand eine alte Eiche, an die im August 1946 auf Anweisung des neuen polnischen Landrats von Świdnica (Schweidnitz) eine Liste mit den noch in Kreisau lebenden Deutschen angeschlagen wurde. Innerhalb von drei Tagen sollten sie das Dorf verlassen und sich, wie ihre in der Gegend lebenden Landsleute, nach Gracowice begeben, von wo aus sie in verschiedene Besatzungszonen des damaligen Deutschlands gebracht wurden. 

Seit 1898 steht an dieser Stelle ein Gedenkstein, der an die Begegnungen des Kreisauer Kreises erinnert. Bereits in den 1970er Jahren gab es Bemühungen, eine Gedenktafel an einem der Gebäude oder am Berghaus anzubringen.

DIE ST.-MICHAEL-KIRCHE

Neben der Hofeinfahrt steht eine kleine, einschiffige, gotische Kirche, die nicht viel größer als eine Kapelle ist. Abgesehen von der Sakristei und einem kleinen Chor ist sie frei von architektonischen Schmuckelementen. Die Kirche sieht sehr unscheinbar aus: Gebaut wurde sie aus grauem Stein, turmlos, nur mit einem Aufbau, in dem eine Glocke hängt.

In der östlichen Nische der Kirche gibt es eine Kopie der berühmten Christusskulptur von Thorvaldsen. Die Christusfigur stand anfangs in der Helmuth-von-Moltke-Kapelle auf dem kleinen Friedhofsberg. Um sie vor weiterem Verfall zu schützen, wurde sie erst nach dem Krieg in die Kirche verlegt.

Seit August 2001 ist in der Kirche auch eine Figur der Gottesmutter von Kreisau aus dem 18. Jahrhundert zu sehen, die der Pfarrgemeinde von einer Marien-Jugendbewegung aus Deutschland gespendet wurde.

In der katholischen Kirche werden häufig ökumenische Gottesdienste oder feierliche Messen abgehalten. Dadurch ist diese kleine, unauffällige Kirche zu einem Symbol für das Bauen von Brücken zwischen Epochen und Völkern geworden.

Neben dem Eingang in die Kirche steht eine hölzerne „Leiter zum Himmel”, ein Denkmal, das zu Ehren des verstorbenen langjährigen Dorfpfarrers von Kreisau und Grodziszcze, Pfarrer Bolesław Kałuża, errichtet wurde. Darauf ist ein Zitat aus dessen „geistigem Testament” eingeritzt: „Liebt das Leben und alles, was lebt”. In der Nähe der Kirche gibt es auch ein Kreuz zum Gedenken an Freya von Moltke sowie eine Christusskulptur, die früher auf dem Gelände der Stiftung stand. Den kleinen Raum rund um die Kirche schmücken die bei Kunstworkshops unter Teilnahme von Studierenden der Akademie der Schönen Künste aus Vilnius und Minsk angefertigten Skulpturen.

Eine gründliche Instandsetzung der Kirche wurde 2007 im Rahmen des Projekts der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft „Memoria – Freiwilligendienst für das europäische Kulturerbe” initiiert. Am Projekt arbeiteten ein Jahr lang 15 bis 20 junge Menschen aus Polen, Deutschland, Tschechien und der Ukraine.